Ausnahmezustand Im Reitstall Erlenhof*: Die Einfahrt ist durch rot-weiße Plastikbänder versperrt. Daran schaukelt ein ausgewaschenes Schild im Wind. „Betreten verboten wegen hochansteckender Pferdekrankheit.“
Noch vor einem Monat hing das Schild nicht da. Weil Stall- und Pferdebesitzer und verschiedene Tierärzte nicht rechtzeitig ins selbe Horn stießen, griff die Infektionskrankheit Druse immer mehr um sich, bis alle 70 Pferde betroffen waren. Erst als die Krankheit nicht mehr aufzuhalten war, einigten sich die Reiter auf einen einizigen Tierarzt, der sie Sache in die Hand nahm. „Von diesem Tag an durfte kein Fremder mehr in den Stall“, erzählt Sabine Hoffmann*, deren dreijähiger Welsh-Pony-Wallach zum Glück weniger stark erkrankte als andere Pferde. „Wenn ich zu Atreju wollte, musste ich Aidshandschuhe tragen, anschließend meine Kleidung desinfizieren und mein Auto waschen.“
Druse ist eine hochansteckende Erkrankung der oberen Atemwege des Pferdes. Verursacht wird sie durch eine Infektion mit dem Bakterium Streptococcus equi. Die Bakterien setzen sich in den Lymphknoten im Kehlbereich und der oberen Halsregion fest und führen an diesen Stellen zu gut sicht- und fühlbaren Schwellungen, an denen das Pferd mit Schmerz auf Berührung reagiert.
Nicht selten bekommen erkrankte Pferde Fieber von mehr als 40°C, Husten, Atemnot und Nasenausfluß. Mit Ausnahme des Fiebers treten nicht immer alle Symptome auf. Daher wird die Krankheit oft über längere Zeit vom Pferdebesitzer oder Stallbetreiber verleugnet oder schön geredet. Dr. Jürgen Adler vom Staatlichen Veterinäramt für das Gebiet der Landeshauptstadt München rät, bei Verdacht auf Druse immer sofort vom Tierarzt eine Tupferprobe aus der Nase nehmen zu lassen. Bestätigt sich der Verdacht, so muss das betreffende Pferd auf der Stelle isoliert werden. „Die weitere Ausbreitung der Druse muss unverzüglich verhütet werden“, sagt der Amtstierarzt. „Neben Kleidungswechsel und Händedesinfektion sollten auch die Insekten bekämpft werden, die von Pferd zu Pferd fliegen und daher lebende Vektoren sind.“ Das kontaminierte Einstreu solle nicht auf den Misthafen gefahren, sondern zunächst mit einer Plane abgedeckt und dann vernichtet werden. Außerdem ist absolute Stallhygiene Pflicht.
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Übertragung auf Menschen wird diskutiert
Druse ist zwar hoch infektiös, fällt aber nicht unter die meldepflichtigen Tierseuchen. Dr. Adler weiß warum: „Anzeigepflichtig sind nur Krankheiten, die großen volkswirtschaftlichen Schaden verursachen, wie die Maul- und Klauenseuche, oder auf den Menschen übertragbar sind, wie Tollwut.“
Obwohl Druse im Allgemeinen nicht als auf den Menschen übertragbar gilt, führt das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit den Erreger Streptococcus equi als Zoonoseerreger. „Streptococcus equi hat ein breites Wirtsspektrum, tritt aber am häufigsten beim Pferd auf, bei dem es die Druse verursacht. Infektionsgefährdet sind Menschen, die Umgang mit Pferden haben, sie infizieren sich durch den direkten Kontakt“, heißt es in der Zoonose-Liste des Amtes. Andere Ärzte sind anderer Meinung.
Fest steht aber, dass der unliebsame Erreger wie jedes Bakterium am liebsten in warmer, feuchter, dunkler und nährstoffreicher Umgebung gedeiht. Für betroffene Pferdebesitzer ist das wichtig zu wissen. Denn genau solche Umgebungen sollte man zur Eindämmung der Krankheit aus dem Stall verbannen.
Alle Pferde im Stall infiziert
Als es endlich auch auf dem Erlenhof so weit war, dass kein Pferd mehr aus dem Futtereimer des anderen fraß, war bereits der gesamte Bestand infiziert. Der Tierarzt, auf den sich die Pferdebesitzer geeinigt hatten, verabreichte literweise Antibiotika und besorgte 70 Fieberthermometer, die allesamt mit dem Namen ihres Eigentümers beschriftet wurden. Kein Pferd durfte mehr geritten werden. Zu fressen gab es Mash, weil das von den Pferden am besten abgeschluckt werden konnte. Nach jeder Fütterung mussten Futterreste penibel aus den Eimern gewaschen werden.
Sabine Hoffmans Pony war mit ein bisschen Fieber und einer Rotznase noch gut dran. „Eine Frau aus dem Stall musste bei ihren Turnierpferden die Eitertaschen aufschneiden lassen, um den Druck zu lösen“, berichtet sie. Das kann dann nötig werden, wenn die Abszesse nicht von allein aufbrechen und der Verdacht besteht, dass sie nach innen brechen könnten. Kommt der Eiter nämlich in die Blutbahn, so kann das beim Pferd eine Blutvergiftung auslösen. Hin und wieder nisten sich die Krankheitserreger auch in anderen Organen ein und bilden Abszesse an Leber, Milz, Nieren oder den Darmlymphknoten.
„Die Erreger können bis in den Liquor gelangen, was dann eine Gehirnhautentzündung hervorruft“, sagt Dr. Adler. Eine gefährliche Komplikation ist das so genannte Petechialfieber. Dabei reagiert das Immunsystem des Pferdes auf Bestandteile der Bakterien und es kommt zu punktuellen Blutungen, geschwollenem Kopf und feuchten Schwellungen an den Beinen.
Statistisch gesehen verläuft ein Prozent der Erkrankungen tödlich. In 80 bis 90 Prozent der Fälle treten jedoch keine Komplikationen auf und die Druse heilt nach ein bis zwei Wochen aus. Danach sollten die Pferde noch mindestens sechs Wochen lang nicht den Stall verlassen oder auf Turniere gehen.
Auf dem Erlenhof zog sich die Druse-Erkrankung vom ersten bis zu letzten Pferd vier Monate lang hin. Wer genau sie eingeschleppt hat, lässt sich bis heute nicht sagen. Sabine Hoffmann glaubt aber: „Unsere Stallbesitzer hatten drei neue Schulpferde aus Polen gekauft. Alle hatten einen schlechten Allgemeinzustand und Nasenausfluss. Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Pferde die Krankheit eingeschleppt haben.“
Vor allem junge Pferde sind gefährdet
Wenn nicht gerade eine Epidemie ausbricht, wie in diesem Fall geschehen, so trifft Druse meist speziell junge Pferde und Fohlen. Sie wird daher häufig mit der Kinderkrankheit Mumps verglichen. Was genau dahinter steckt, ist noch unklar. Dr. Adler nimmt an, dass das noch wenig ausgereifte Immunsystem der jungen Tiere der Auslöser dafür ist.
Mittlerweile gibt es sogar einen Impfstoff gegen Druse. Bereits ab der fünften Lebenswoche können Fohlen immunisiert werden. Eine zweite Impfung erfolgt nach zwei Wochen, danach im jährlichen Abstand. Nicht geimpft werden bereits erkrankte Tiere oder solche, bei denen bereits der Verdacht einer Erkrankung besteht.
Krankheitsverlauf
Zuerst kommt es zu hohem Fieber bis 41 Grad. Anschließend treten Apathie, Inappetenz und klarer Nasenausfluss auf, der mit der Zeit eitrig wird. Häufig sind feuchter Husten und Schluckbeschwerden zu beobachten. Die Lymphknoten am Kopf (Kehlgangslymphknoten und Speichellymphknoten) schwellen an und bilden Eiterherde (Abszesse). Schwellungen in der Ganaschengegend gehen in schlimmen Fällen mit Atemnot einher. Ein bis zwei Wochen nach den ersten Anzeichen brechen die Lymphknoten auf und der Eiter entleert sich nach außen oder nach innen in den Luftsack. Geschieht dies nicht, wird der Tierarzt die reifen Abszesse aufschneiden und mit Jod ausspülen. Sind sie Abszesse erst einmal entleert, kommt es zu einer deutlichen Besserung der Symptome und das Fieber sinkt.
Da auch geheilte Pferde die Krankheit noch eine Weile übertragen können, sollten anschließend noch drei Tupferproben im Abstand von drei Wochen entnommen werden. Erst wenn alle drei negativ sind, kann davon ausgegangen werden, dass das Pferd kein Bakterienträger mehr ist.
*Namen geändert